Arzneipflanze 2019: Edelweiß

Die Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) ist ein einzigartiges Netzwerk, das seit seiner Gründung 2006 mit höchster Kompetenz daran arbeitet, Naturstoffe und pflanzliche Arzneistoffe zu entwickeln. Eine ihrer Aufgaben besteht auch darin, nach strengen Qualitätskriterien die Arzneipflanze des Jahres in Österreich zu küren. 2019 fiel die Wahl auf die wohl bekannteste Alpenpflanze: das Edelweiß (Leontopodium nivale ssp. alpinum).
 


HMPPA als international anerkanntes Kompetenzzentrum
„Die erklärten Tätigkeitsfelder der HMPPA sind die grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung sowie deren Umsetzung in der pharmazeutischen Industrie sowie die Aus- und Weiterbildung im Bereich pflanzlicher Arzneimittel“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Rudolf Bauer, Vize-Präsident der HMPPA, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Graz.

Universitäten in Graz, Innsbruck und Wien arbeiten dabei auf überregionaler Ebene zusammen. Zudem bestehen Kooperationen mit weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen, Registrierungsbehörden, Organisationen und Partnern aus der Wirtschaft in Österreich und dem europäischen Umfeld. Seit 2006 hat sich Österreich mit dieser Plattform im weltweiten Kontext als anerkanntes Kompetenzzentrum für Phytoforschung etabliert.

c Hermann Stuppner

Arzneipflanze des Jahres 2019: Edelweiß 
Das Edelweiß gehört zur großen, weltweit verbreiteten Pflanzenfamilie der Korbblütler (Asteraceae, früher Compositae) und kommt im Hochgebirge in Lagen zwischen 1.500 und 3.000 Metern Seehöhe vor. Obwohl das Edelweiß zu den streng geschützten Alpenpflanzen gehört, wird es aus Wildsammlung schon über Jahrhunderte als Arzneipflanze genutzt. „Aufgrund einiger erst in den letzten Jahren entdeckten Inhalts- bzw. Wirkstoffe finden sich Edelweiß-Extrakte heute vor allem in Kosmetika“, erläutert em. o. Univ.-Prof. Dr. Chlodwig Franz, Vizepräsident der HMPPA, Abt. Funktionelle Pflanzenstoffe, Vetmeduni Wien. Nachdem die Nachfrage nicht aus Wildsammlung gedeckt werden kann, hat man in den letzten zwei Jahrzehnten im Zuge eines Projekts zur Domestikation von Alpenpflanzen in der Schweiz auch Edelweiß in Kultur genommen. Auf der Grundlage von Biodiversitätsstudien wurde die Sorte Helvetia gezüchtet, die sich durch homogenen Wuchs und Wirkstoffgehalt, gleichzeitige Blüte und guten Ertrag auszeichnet. Der systematische, kleinflächige Anbau findet in der Südschweiz auf sonnigen Berglagen in 1.000 bis 1.500 m Seehöhe statt.

Seit Jahrhunderten in der Volksmedizin geschätzt
Das Alpenedelweiß wird seit Jahrhunderten in der traditionellen Volksmedizin verwendet. „Extrakte aus verschiedenen Pflanzenteilen wurden zur Behandlung von Bauchschmerzen, Erkrankungen des Respirationstraktes, Herzkrankheiten, vor allem aber gegen Ruhr und Durchfall eingesetzt“, betont Univ.-Prof. Dr. Hermann Stuppner, Präsident der HMPPA, Institut für Pharmazie/Pharmakognosie, Universität Innsbruck.
Insgesamt konnten bisher mehr als 60 Inhaltsstoffe aus den oberirdischen Anteilen bzw. den Wurzeln von Edelweiß isoliert und strukturell charakterisiert werden. Diese sind großteils den drei Substanzklassen Flavonoide, Kaffeesäurederivate und Terpene zuzuordnen.
Extrakte und Einzelsubstanzen aus Edelweiß weisen ein breites Spektrum an pharmakologischen Aktivitäten auf das Herz-Kreislauf- und Nervensystem auf. Darüber hinaus konnten entzündungshemmende, antimikrobielle, antioxidative und chemoprotektive Wirkungen nachgewiesen werden. Für die antioxidative und chemoprotektive Aktivität der Pflanze verantwortlich ist in erste Linie die Edelweißsäure, welche in den weißen Hochblättern („Brakteen“) in sehr großen Mengen (bis zu 10 %) vorkommt. Als Wirkprinzip für die neuroprotektive Wirkung konnten Sesquiterpene vom Typ des Isocomens identifiziert werden.

Vielversprechende Effekte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
„Zwei Verbindungen aus den Wurzeln des Edelweiß, Leoligin und 5-Methoxyleoligin, werden im Moment als sehr effektive und mächtige Wirkstoffe gehandelt“, ergänzt Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. David Bernhard, Zentrum für medizinische Forschung der Medizinischen Fakultät, Johannes-Kepler-Universität Linz. Der Wirkstoff Leoligin schützt Gefäße vor Verkalkung (Arteriosklerose), senkt Cholesterin und reduziert das Anschwellen des Blutzuckerspiegels nach Mahlzeiten, 5-Methoxyleoligin wird derzeit auf seine Eignung als Inhaltstoff einer „Spritze gegen Herzinfarkt“ getestet. Diese Substanzen können in der Zwischenzeit auch synthetisch hergestellt werden, so dass sie in großen Mengen zur Verfügung stehen.

Antibiotische Aktivität
Die Forschung über Edelweiß hat in jüngster Zeit große Fortschritte erzielt und ist in den Laboratorien noch nicht zu Ende. „So konnten z.B. aus biotechnologisch hergestellten Edelweiß-Kulturen neue makrozyklische Substanzen mit starker antibiotischer Aktivität isoliert werden“, berichtet Univ.-Prof.i.R. Dr.Dr.h.c. Brigitte Kopp, Vizepräsidentin der HMPPA, Department für Pharmakognosie, Universität Wien.
 
Wissenschaftliches Symposium am 25. April 2019
Detaillierte Informationen über die Forschungsergebnisse der Arzneipflanze des Jahres 2019 werden im wissenschaftlichen Symposium der HMPPA am 25. April 2019 in Graz (http://www.hmppa.at) vorgestellt.

www.hmppa.at